„Kunst und Coping bei Hirntumorpatient*innen“
Evaluationsstudie – Konzeptentwurf
Ein Kooperationsprojekt zwischen dem Universitätsklinikum Münster, dem Pablo Picasso-Museum Münster und der MSH Medical School Hamburg
Forschungsteam:
Prof. Dr. rer. medic. Monika Wigger (Kunsttherapeutin, Katholische Hochschule Freiburg)
Priv.-Doz. Dr. med. Dorothee Wiewrodt (Fachärztin für Neurochirurgie/Psychotherapie, Psychoonkologin, Neurochirurgie, UKM Universitätsklinikum Münster)
Britta Lauro (Kunsthistorikerin, M.A., Kunstmuseum Pablo Picasso Münster)
Prof. Peter Sinapius (Kunsttherapeut, MSH Medical School Hamburg)
Sybille Kastner (Kunstvermittlerin, MSH Medical School Hamburg)
Prof. Dr. Stephanie Kurzenhäuser-Carstens (Psychologin, MSH Medical School Hamburg)
Michael Ganß (Kunsttherapeut, MSH Medical School Hamburg)
Laufzeit: 05/2018 – 7/2019
Kurzdarstellung
Ausgehend von der Annahme, dass sich das Museum als geschützter Ort und als Raum der Begegnung und kulturellen Teilhabe zur psychoonkologischen Begleitung von Hirntumorpatient*innen besonders eignet, haben das Pablo Picasso Museum Münster und das Universitätsklinikum Münster unter dem Titel „Kunst als Lebens Mittel“ ein Programm zur Kunstvermittlung für Hirntumorpatient*innen entwickelt. Das Programm besteht aus 2 Teilen: Die Teilnehmer nehmen zunächst an einer Führung durch das Museum teil und können dann in einem sich anschließenden Workshop ihre Eindrücke künstlerisch verarbeiten.
Um die Effekte dieses Programms zu beschreiben und das Programm zu verstetigen, soll es wissenschaftlich evaluiert werden.
Im Rahmen der Evaluationsstudie soll untersucht werden,
- welche Bedingungen dazu beitragen, dass das Museum als geschützter Raum erlebt werden kann,
- inwiefern die spezifischen Bedingungen im Museum Einfluss auf die Kommunikation zwischen Patienten und Angehörigen haben
- inwiefern das Museum von den Patienten als Ort der Begegnung und kulturellen Teilhabe erlebt werden kann und
- ob und inwiefern die Museumsbesuche zur Entwicklung von Coping-Strategien beitragen.
Für die Untersuchung dieser Fragen sollen sowohl qualitative Forschungsinstrumente als auch standardisierte spezifische und generische Fragebögen eingesetzt werden.
Grundlage
Mit ca. 8000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland gehören die primären Hirntumore zu den eher seltenen Tumorerkrankungen. Aufgrund der Lokalisation des Tumors im Gehirn, nicht nur als Zentrum des Denkens und Handelns, sondern auch als Sitz der Persönlichkeit, führt diese Erkrankung bei den Betroffenen häufig zu einem schweren Einschnitt in die körperliche und seelische Integrität. Die neuroonkologische Forschung sieht ihren Mittelpunkt bislang in der somatischen Therapie bestehend aus möglichst weitgehender Resektion und wenn erforderlich, einer nachfolgenden Strahlen- und/oder Chemotherapie. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass bei onkologischen Patienten psychoonkologische Interventionen, wie z.B. psychotherapeutische Einzelinterventionen oder Entspannungsverfahren die gesundheitsbezogenen Lebensqualität verbessern und psychische Belastungen und Depressivität senken können (Faller et al, 2013).
In der Klinik für Neurochirurgie am UKM besteht das psychoonkologische Begleitangebot für Hirntumorpatienten aus Gesprächstherapie, Kunsttherapie, einem persönlichen Trainingsprogramm sowie Museumsbesuchen im Kunstmuseum Pablo Picasso Münster.
Die Diagnose eines Hirntumors verändert nicht nur das Leben der betroffenen Patienten, sondern auch das der Familien und Freunden. Die lebensbedrohliche Erkrankung ist häufig verbunden mit existenziellen Fragen, Ängsten und Sorgen, aber auch mit Wünschen und Hoffnungen. Die Krankheit beeinflusst den bisherigen Lebensrhythmus. Dem neuen Alltag zwischen Diagnostik und Therapie, Krankenhausaufenthalt und Zuhause-sein fehlt jede Normalität und bisherige Lebensplanungen sind plötzlich nicht mehr sicher. Da die Hirntumorerkrankung häufig mit unterschiedlichsten Veränderungen der körperlichen, sinnlichen und geistigen Funktionen verbunden ist, erfordert es von den Betroffenen und ihren Familien eine aktive Auseinandersetzung mit den fortschreitenden Beeinträchtigungen und eine Entwicklung neuer Perspektiven und Horizonte.
Bei diesen Herausforderungen kann die Kunst eine Begleitung und Orientierung sein. Museumsbesuche können die individuelle sinnliche Wahrnehmung von Kunst anregen und der gemeinsame Austausch über die Werke und Eindrücke schafft eine Möglichkeit zur Selbstwahrnehmung und emotionaler Verbundenheit. Im Museumskontext bietet sich ein Raum, Emotionen erleben und teilen zu können. Die aktive Betätigung, wie z.B. Zeichnen, Malen und plastisches Gestalten in der Werkstatt können dabei helfen, funktionale Störungen zu verbessern. Und die Freude am Gestalten kann sich auch positiv auf das emotionale Befinden auswirken. Darüber hinaus kann das Schaffen bildnerischer Phänomene, wie Bilder und Objekte, den Betroffenen dabei helfen, neues Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln und etwas Bleibendes zu schaffen.
Lit: Faller, H.; Schuller, M.; Richard, M.; Weis, J.; More,S. (2013): Effects of Psycho-Oncologic Interventions on Emotional Distress and Quality of Life in Adult Patients With Cancer: Systematic Review and Meta-Analysis. In: Journal of Clinical Oncology
Publikationen zur Studie
Monika Wigger, Britta Lauro, Sybille Kastner, Michael Ganß, Dorothee Wiewrodt (2022): Kunst und Coping bei Hirntumorpatient*innen und Angehörigen im musealen Raum. In: Ruth Hampe, Henriette Schwarz, Monika Wigger: „Gegen den Strich“ Wahrnehmen – Reflektieren – Gestalten im Kontext der Kunsttherapie. Pabst